Warum wir einen fehlerfreundlichen Diversity-Aktivismus brauchen


Ich spreche immer wieder davon, wie wichtig es ist, Vielfalt wirklich zu verstehen und nicht stur irgendwelchen Anweisungen zu folgen. Zu oft sind mir schon Menschen begegnet, die unreflektiert andere verurteilen, weil sie „verbotene Wörter“ sagen oder Gendern mit Sternchen nicht für die einzig richtige Variante halten. Und ja, das ist ein Problem, das von (einigen) feministischen Aktivist*innen ausgeht.

Das Thema ist emotional stark aufgeladen und ich habe ein bisschen Angst, darüber zu schreiben. Dabei ist das längst überfällig. Meine ganze Arbeit richtet sich an die Menschen, die zweifeln oder sich entmutigen lassen, weil ihre Bemühungen um Gleichberechtigung von manchen (!) Aktivist*innen mit einem moralischen Keulenhieb quittiert werden. Silvana von Schmidt-Lektorate hat mir den letzten Schubs gegeben. Sie hat nämlich dieses Zitat auf Instagram geteilt:

„Damals habe ich getan, was ich konnte. Jetzt weiß ich es besser und mache es besser.” – Maja Angelou

 

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„Damals habe ich getan, was ich konnte. Jetzt weiß ich es besser und mache es besser.” – Ein sehr kluges Zitat von einer beeindruckenden Frau. Ich finde, dass es sich auf viele Lebensbereiche anwenden lässt: Wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen, wie wir die Welt sehen, wie wir unsere Kräfte einteilen und wo wir unsere Prioritäten setzen. All das sind Entscheidungen, die sich in dem Entwicklungsprozess namens Leben mit uns gemeinsam verändern! ⠀ .⠀ Mir hilft die Botschaft des Zitats besonders dann, wenn ich mich selbst und meine Handlungen reflektiere und über meine eigenen (früheren) Entscheidungen nachdenke. #selbstakzeptanz ⠀ .⠀ Was löst das Zitat in euch aus? ⠀ .⠀ Ich wünsche euch jedenfalls einen schönen Tag und hoffe, dass ihr immer wieder diese Momente habt, in denen ihr eure persönliche Entwicklung realisieren und feiern könnt! ⠀ .⠀ #schmidtlektorate #lektorat #korrektorat #mayaangelou #zitat #quotation #instainspiration #entwicklung #mind #textarbeit #lektorin #freielektorin #freiberuflichkeit #selbstständigkeit

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Wenn Diversity-Aktivismus ausschließt, haben wir ein Problem

Eine kleine Umfrage in meiner Insta-Story ergab, dass sich 90 % der Teilnehmenden in vielfaltsaktivistischen Szenen nicht verstanden oder sogar ausgeschlossen fühlen. Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen. Ich habe weder Gender Studies studiert, noch hat mich jemand in die feministische Kultur eingeführt. Alles, was ich weiß, habe ich mir selbst angeeignet. Ich stand also vermutlich mal genau auf der Stufe, die dich zu diesem Artikel geführt hat: Du möchtest Vielfalt wertschätzen und inklusiv kommunizieren, aber du bist nicht perfekt darin. Vielleicht hat dir auch schonmal jemand gesagt, dass du etwas falsch machst und dich diskriminierend geäußert hast – vielleicht auf keine besonders nette Weise.

Das Zitat, das Silvana gepostet hat, zeigt, was ich auch direkt kommentiert habe: „Ich finde das eine total wichtige Erkenntnis, auch im Zusammenhang mit Diversity. Je mehr du dich damit beschäftigt, desto bewusster wird dir, was du früher alles ‚falsch‘ gemacht hast. Ich glaube, das ist auch eine Angst, aus der manche das Thema doch schnell wieder fallen lassen oder sogar anfeinden. Die Angst, zu erkennen, dass sie andere Menschen vielleicht nicht so gut behandelt haben, wie sie gerne von sich sagen würden.“

Das Problem ist, dass die Angst Überhand nimmt. Wir erwarten von uns selbst und anderen, keine Fehler mehr zu machen, sondern sofort perfekt mit allen Mehr- und Minderheiten umzugehen. Schließlich wollen wir nicht, dass uns jemand in die falsche Ecke stellt. Wir leben in Zeiten, in denen das leider ziemlich schnell passieren kann. Aber wer nichts falsch machen darf, lernt auch nicht, versteht nicht, warum manche Aussagen diskriminierend oder problematisch sind. Wir alle haben Vorurteile, Klischees und Stereotype im Kopf. Kein Mensch wächst ohne sie auf. Wir müssen sie hinterfragen, verlernen und uns neu einstellen. Ein jahrelanger Prozess, von dem manche vergessen, dass sie ihn selbst erst durchlaufen mussten.

„Ich habe keine Lust, dir zu erklären, warum deine Aussage diskriminierend ist!“

Wir könnten jetzt behaupten, dass Feminist*innen gar kein echtes Interesse daran haben, aus ihrer Blase herauszutreten und andere aufzuklären. Dass ihr Aktivismus eben einfach extrem ist und die doch alle ein Rad ab haben. Oder wir fragen uns, warum es so schwerfällt, unbedarften Diversity-Neulingen zu erklären, dass bestimmtes Verhalten problematisch ist. Silvana hat das wunderbar auf den Punkt gebracht:

„Es scheint oft eine gewisse Spannung zu bestehen zwischen einem gewollt fehlerfreundlichen Feminismus bzw. einer Diversity-freundlichen Grundhaltung und der Anforderung an durchdachtes und umsichtiges Verhalten (auch auf die Sprache bezogen). Und manchmal ist es schwer, sich davon zu lösen bzw. diesen Konflikt zu lösen: Denn auch wenn Menschen eine Chance für diese Entwicklung bekommen sollten (zum Beispiel für eine transinklusive Sprache oder fürs Gendern), werden in dem Moment, wo sie noch am Anfang stehen, durch sie ja Menschen verletzt. Ob absichtlich oder unbeabsichtigt spielt da erstmal keine Rolle…“

Meine Erfahrung: Zuerst kam die Wut…

Passenderweise habe ich selbst Diskriminierung erlebt und kann dir aus eigener Erfahrung mehr zu diesem Problem sagen. Als ich neu in der Stadt und an der Uni war, habe ich erstmal so getan, als wäre ich hetereo, weil ich einfach keine Lust mehr auf Ausgrenzung hatte. Irgendwann hat dann die Liebe dazwischengefunkt und ich wurde langsam offener. Gleichzeitig beschäftigte ich mich auch immer mehr mit Feminismus.

Als ich dann merkte, wie viel direkte und unterschwellige Diskriminierung ich immer noch einfach akzeptierte, machte mich das wütend. Ich hatte plötzlich eine unglaubliche Wut auf die Männer, die mir intime Fragen stellten oder „Nein, ich steh nicht auf Männer“ als Einladung und nicht als Abfuhr verstanden. Ich war sauer auf die Freundin, die es so wichtig fand, dass ich auch mal mit einem Mann zusammen war, weil ich ja sonst nicht sicher sein könnte. Diese Erfahrung war für mich aber kein Ausprobieren, sondern der schmerzhafte Versuch, mich anzupassen. Und irgendwann platzte mir die Hutschnur: Ich hatte keine Lust mehr, meinen Mitmenschen ihre tausend Fragen zu beantworten. Wie hast du das gemerkt? Bist du dir sicher? Was bist du eigentlich? Wie funktioniert das mit dem Sex? Wie wollt ihr später mal Kinder kriegen? Und welche Diskriminierungserfahrungen hast du so gemacht?

Ich musste dringend anfangen, nein zu sagen. Anfangs war ich dabei vermutlich nicht allzu nett. Solche Fragen können nämlich nicht nur unglaublich nerven. Sie rufen auch Erinnerungen an teils traumatische Erlebnisse hervor. Vielleicht sind die Befragten in ihrem bisherigen Leben kaum angeeckt. Vielleicht war es für sie aber auch ein schwieriger Prozess, zu sich selbst zu stehen. Möglicherweise wurden sie in der Schule gemobbt oder haben Gewalt erfahren. Oder deine Frage ist einfach zu intim. Ein guter Indikator für unproblematische Fragen ist immer, wenn du dasselbe auch jemanden fragen würdest, der keiner marginalisierten Gruppe angehört. Oder auch, wenn du sie selbst beantworten würdest. Aber jede*r hat eine andere Schmerzgrenze. Deshalb hilft in solchen Situationen Feingefühl.

… später wurde ich zur Diversity-Botschafterin

Damals war ich noch nicht die Diversity-Texterin. Ich war eine Privatperson, sehr jung und selbst noch dabei, mich kennenzulernen. Ich fand es nervig, dass andere nicht sofort begriffen, was im Umgang mit mir nicht okay war. Obwohl das doch in den Büchern und Blogs über Feminismus stand, die ich las. Aber jetzt denke ich: Naja, ich habe diesen Prozess der Bewusstwerdung ja auch durchgemacht, sogar als Betroffene. Ich hatte die Homophobie vorher durch mein Umfeld total internalisiert. Und ich kann nicht erwarten, dass sich mein Umfeld sofort und ohne diesen langwierigen Prozess meinen Bedürfnissen anpasst.

Heute wünsche ich mir, dass meine Kund*innen und Follower*innen mich ganz offen alles fragen, was sie über Vielfalt und Inklusion wissen wollen – als Diversity-Texterin und bald auch -Trainerin. Ich glaube, die Phase der Wut ist ein ganz normaler Schritt im Prozess des Auseinandersetzens mit den eigenen Diskriminierungserfahrungen und auch denen anderer. Ich habe mich aber bewusst dafür entschieden, Diversity zu meinem beruflichen Hauptthema zu machen. Als Privatpersonen können und wollen viele „Betroffene“ aber nicht dein persönliches wandelndes Lexikon sein. Im Netz gibt es wahnsinnig viele wirklich tolle Menschen, die sich dazu entschlossen haben, zu informieren und Fragen zu beantworten. Ich finde es zum Beispiel immer gut, wenn sich jemand schon mit dem Thema auseinandergesetzt hat und mir dann eine spezifische Frage stellt. Das zeigt Wertschätzung und echtes Interesse.


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Wer als Aktivist*in in der Öffentlichkeit steht, trägt Verantwortung

Trotz der nachvollziehbaren Hintergründe, die ich gerade erläutert habe, dürfen wir die Verantwortung nicht denjenigen zuschieben, die noch keinen Zugang zu Diversity & Inclusion gefunden haben. Das gilt vor allem für öffentlichkeitswirksame Aktivist*innen, die sich Aufklärung auf die Fahnen schreiben. So oft habe ich schon erlebt, dass eine Meinung als die einzig richtige postuliert wird und kritisches Hinterfragen nicht erwünscht ist (hier kommt wieder die Keule ins Spiel). Blindes Nachplappern statt Verstehen und Adaptieren.

Dabei gibt es fast nie nur eine Antwort. Stattdessen existieren verschiedene Feminismen und Vielfaltstheorien: z. B. Radikalfeminismus, Queerfeminismus, intersektionaler Feminismus, Dekonstruktivismus, Differenzfeminismus, Ökofeminismus usw. Jede*r darf sich eine eigene Meinung dazu bilden. Aber ich finde es hochproblematisch, sie als einzig existente und richtige hinzustellen. Ich bin selbst von einem Verein mit Aufklärungsintention ohne mein Wissen öffentlich an den Pranger gestellt worden für eine Formulierung auf meinem Blog. Das Angebot eines Gesprächs wurde nie eingelöst. Also habe ich mir einen Stapel Bücher aus der Uni-Bibliothek geliehen und weiß jetzt neben den wissenschaftlichen Hintergründen, dass es auch unter Betroffenen die unterschiedlichsten Meinungen dazu gibt.

Wir brauchen eine vernünftige Diskussionskultur!

Ich versuche immer wieder, in Dialog zu treten mit Aktivist:innen, die mich oder andere angreifen. Leider bekomme ich auf sachliches Hinterfragen oder den Versuch zu verstehen dann keine Rückmeldung mehr. So war das auch unter einem Posting über politisch inkorrekte Gewohnheitsaussagen wie die früher gebräuchlichen Worte für Schokokuss oder Eis mit Schokoglasur. Die Kommentator:innen waren sich mehrheitlich einig, dass diese Worte ersetzt werden müssen, manche Menschen sie aber eben aus Unwissen oder Unverständnis benutzen. Und diese müssten darauf hingewiesen, jedoch nicht beschimpft werden, weil sie sich ja nicht aus böser Absicht so verhalten.

Jemand antwortete, dass es egal wie gemeint definitiv rassistisch sei, diese Wörter zu benutzen. Er hielt es nicht für übertrieben, diese Begriffe zu ändern, und wies mich explizit nochmal auf seinen Kommentar hin. Ich beantwortete seine Aussage so: „Ich bin da ganz deiner Meinung. Aber warum denken wir beide so? Weil wir uns mit dem Thema intensiv und freiwillig beschäftigt haben, über einen längeren Zeitraum. Bei dir war es bestimmt auch ein längerer Prozess, in dem du immer wieder neues gelernt und verstanden hast, oder? So war und ist es jedenfalls bei mir. Ich kann nicht von jemandem erwarten, der sich noch nie damit beschäftigt hat, dass er:sie morgen alles verstanden hat und konsequent anwendet. Wäre schön, aber ist einfach nicht realistisch.

Wir alle haben Vorurteile. Es gibt Dinge, gegen die ich mich gesträubt habe, weil ich sie nicht verstanden habe. Es hat eine Weile gedauert, bis es klick gemacht hat. Manche Menschen brauchen mehr Zeit. Und ich denke, es ist besser, sie freundlich darauf aufmerksam zu machen und immer wieder, als zu riskieren, dass sie sich vor den Kopf gestoßen fühlen und auf die Gegenseite wechseln. Ich weiß aus anderen Kontexten, mit denen ich persönlich konfrontiert bin, dass das für Betroffene oft schwierig ist und nicht von ihnen erwartet werden kann. Dafür sind ja Allies (Unterstützer*innen) so wichtig. Ich hoffe, ich habe richtig verstanden, dass du mich deshalb hierauf aufmerksam gemacht hast, weil ich oben von der ‚sanften Tour‘ statt Keule gesprochen habe? Ansonsten lass mich gerne wissen, was du zu meinen Gedanken denkst. “

Ich war gespannt darauf, wie dieses Gespräch weitergehen würde. Doch leider bekam ich nie wieder eine Antwort, obwohl ich das Gefühl hatte, dass der Kommentator wohlwollend eingestellt war. Meistens laufen solche Diskussionen weniger sachlich ab. Oft genug enden sie sogar mit einem „und wenn du das nicht genauso siehst wie ich, bist du eine braune Nazisau!1!“ Das führt aber leider nur dazu, dass Menschen verunsichert werden, eine Antihaltung zum Feminismus entwickeln oder sich nie wieder trauen, mitzureden.

Dabei sollten wir doch froh sein, wenn diejenigen mit uns diskutieren möchten, die noch nicht viel über das Thema wissen. Sie haben doch Interesse! Für mich ist es verantwortungslos und unsensibel, sie dermaßen auflaufen zu lassen. Dabei fällt mir auch auf, dass die größten Keulenschwinger:innen meistens Menschen sind, die selbst nicht betroffen sind. Aber das Verurteilen von Menschen, die nicht so gut ausgebildet sind und die vielen feministischen Fachbegriffe nicht verstehen, ist auch diskriminierend!

Warum wir einen fehlerfreundlichen Diversity-Aktivismus brauchen

Es gibt keinen diskriminierungsfreien Raum

Es ist in Ordnung, sich angegriffen zu fühlen oder wütend zu sein, das ist oft völlig berechtigt und nachvollziehbar. ABER: Wer sich als Aktivist:in bezeichnet oder als Aufklärer:in positioniert (als Unternehmen, Social-Media-Account, Person des öffentlichen Lebens oder Verein), sollte mit Kritik und Unverständnis umgehen können. Wir werden Fehler machen, alle und immer wieder. Vielleicht haben wir es dann in zehn Jahren raus! Aber ich halte es nicht für realistisch, dass sich alle so schnell und viel und so reflektierend mit Feminismus beschäftigen können wie ein:e Vollzeitaktivist:in. Für Leute, die nicht schon in dieser Bubble drin sind, ist es total schwer, Zugang zu diesen Themen zu bekommen. Weil der Feminismus aus meiner Sicht nicht besonders fehlerfreundlich ist. Aber ohne Fehler zu erlauben, wird es nicht funktionieren, mehr Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren.

Glücklicherweise ist Fehlerfreundlichkeit zunehmend auch ein Thema in der Aktivismusszene. Universitäten versuchen beispielsweise, die Lehre vor allem zu Diversity-Themen fehlerfreundlich zu gestalten. Daran sollte der (Hobby-)Aktivismus im Internet sich ein Beispiel nehmen. Es ist nicht möglich, einen Raum zu schaffen, der frei von Diskriminierung ist. Ich kenne keine Person, die sich wirklich mit jeder Diskriminierungsform beschäftigt hat UND im Alltag überhaupt nicht mehr unterbewusst diskriminiert. Diese perfekte Person gibt es nicht. Du kannst nur offen durch die Welt gehen, sensibel sein, zuhören und dich aktiv mit diskriminierenden Strukturen auseinandersetzen. Nein, das geht nicht von heute auf morgen. Ja, du darfst dabei Fehler machen und brauchst dich nicht den Rest deines Lebens dafür zu schämen. Ich kann dir hier auf meinem Blog und in meiner Community zwar keinen diskriminierungsfreien, aber einen fehlerfreundlichen Raum anbieten.

Was du tun kannst, um fehlerfreundlich über Diversity zu sprechen

Fehlerfreundlichkeit ist in zwei Richtungen schwierig. Einerseits sind die meisten Diversity-Aktivist:innen selbst betroffen von Marginalisierung und Diskriminierung und fühlen sich deshalb schnell angegriffen. Andererseits fällt es vielen Menschen schwer, Kritik anzunehmen. Auch das habe ich selbst schon erlebt. Das Thema Gendern ist zum Beispiel ziemlich emotional aufgeladen. Wenn ich von meiner Arbeit erzähle, fühlen sich Nutzer:innen des generischen Maskulinums oft sofort angegriffen, ohne dass ich sie persönlich angesprochen habe. Das macht es für beide Seiten schwer, miteinander zu kommunizieren. Deshalb möchte ich dir am Ende dieses Artikels noch ein paar Kommunikationstipps für Diversity-Aktivist:innen und Diversity-Neulinge geben:

  • Höre zu! Egal, auf welcher Seite du stehst: Versuche, die Bedenken und Fragen oder die Informationen und Diskriminierungserfahrungen deines Gegenübers zu verstehen. Wenn du etwas nicht verstehst, frag nach!
  • Lasst einander ausreden. Nichts führt so leicht zu Missverständnissen wie der anderen ins Wort zu fallen. Vielleicht ist sie noch gar nicht zum Punkt gekommen und du haust ihr schon deine Meinung um die Ohren.
  • Beobachte deine Emotionen. Fühlst du dich noch in der Lage, sachlich zu argumentieren, oder bist du gerade wütend? Kommuniziere deine Gefühle und vertage das Gespräch vielleicht lieber.
  • Auch wenn du dich im ersten Moment angegriffen fühlst: Denke erstmal über das Argument deines Gegenübers nach, bevor du kurzschlussreagierst. Gerade in der Online-Kommunikation ist das ja problemlos möglich. Du musst nicht sofort antworten. Ich lasse kritische Nachrichten oder Kommentare, von denen ich mich angegriffen fühle, generell eine Nacht liegen, bevor ich reagiere.
  • Wertschätzende Diskussionen sind wichtig und bereichernd. Aber auf Hater musst du nicht reagieren. Sobald eine Diskussion unsachlich wird, steige ich aus. Du bist es wert, freundlich und höflich behandelt zu werden, egal welche Meinung du vertrittst. Achte immer auf dich selbst und überlege, ob dir das Gespräch gerade guttut.

Aktivismus ist nur ein erster Schritt

Ich weiß: Die großen Wenden in Sachen Akzeptanz und Wertschätzung sind nicht durch Freundlichkeit und einfühlsame Gespräche entstanden. Es braucht Aktivismus und wirkungsstarke Aktionen, Polarisation und Vorpreschen. Wer etwas verändern will, muss manchmal laut und wütend sein, um den Weg in die Köpfe der Menschen zu finden. Ich bin dankbar für das, was Aktivist:innen leisten. Aber sie sind vor allem Türöffner:innen. Sie erzeugen Aufmerksamkeit und Unbehagen, oft mit einem großen Knall. Das ist wichtig.

Sobald die Aufmerksamkeit da ist, gilt es jedoch, alle Menschen mitzunehmen. Diejenigen, die sich interessieren, für die das jeweilige Thema aber noch komplett neu ist. Der Graben zwischen ihnen und den Aktivist:innen ist meines Erachtens noch ziemlich groß. Ich möchte mit meinem Angebot eine Brücke bauen, die uns alle näher zusammenbringt – und somit marginalisierten Gruppen eine bessere Teilhabe und mehr Wertschätzung ermöglicht.

Dieser Artikel ist lang und es fällt mir nicht ganz so leicht, jetzt gleich auf Veröffentlichen zu klicken. Denn Sachlichkeit und wertschätzende Kommunikation schützen nicht vor unsachlichem Feedback. Bitte schreib mir doch einen Kommentar und erzähl mir von deiner Meinung zum Thema Fehlerfreundlichkeit. Wie erlebst du Diskussionen übers Gendern, Vielfalt und Feminismus? Bist du schonmal für deine Meinung angegriffen worden? Welche Ideen hast du, wie solche Gespräche wertschätzender ablaufen könnten? Ich freue mich über deine Unterstützung.

Übrigens: Hier nochmal ein riesiges Dankeschön an Silvana von Schmidt-Lektorate. Sie hat wertvollen Input zu diesem Blogartikel gegeben. Auf Instagram postet sie noch mehr spannende Inhalte rund ums Buchlektorat.