Workshops und Seminare barrierearm gestalten: 11 Tipps für Trainer*innen


Als Diversity-Trainerin gebe ich regelmäßig Workshops und Seminare im Online- oder Präsenzformat. Barrierefreiheit spielt dabei natürlich auch eine Rolle. Zum einen ist mir selbst wichtig, dass meine Angebote möglichst vielen Menschen zugänglich sind. Außerdem bekomme ich immer mal wieder Hinweise und Tipps von Teilnehmenden, die auf verschiedene Barrieren stoßen, wenn sie Weiterbildungen besuchen. Als Einzelperson ist es schwierig, alle Aspekte eines Seminars oder Workshops zu 100 % barrierefrei zu gestalten. Doch wir können als Trainer*innen immer einige Dinge tun, um Barrieren abzubauen und Menschen mit Behinderungen einzuschließen. Hier findest du 11 einfach umsetzbare Tipps für deine Seminare!

1. Bei der Buchung schon individuelle Bedarfe abfragen

Gerade bei aufwendigeren oder selteneren Bedarfen spart es Ressourcen, diese nicht standardmäßig zu berücksichtigen, sondern nur auf Nachfrage. Für kleine Unternehmen und Einzelpersonen geht es meist gar nicht anders. Biete bei der Buchung deiner Workshops beispielsweise ein Freifeld an oder nenne Kontaktdaten, an die Teilnehmende ihre Anforderungen schicken können. Dann weißt du vorab Bescheid, ob du eine*n Dolmetscher*in, einen Abholservice oder irgendwelche speziellen Utensilien organisieren musst. Außerdem kannst du Unterlagen, Gruppenaufgaben und Raumgestaltung den Bedürfnissen deiner Teilnehmer*innen anpassen. Kommuniziere klar und gut sichtbar, dass Menschen, die auf Barrieren stoßen, dich gerne ansprechen können. Bei mir ist die Frage nach Barrierefreiheit zum Beispiel im FAQ aufgeführt.

2. Barrierefreie Seminarräume nutzen und vorhandene Barrieren klar kommunizieren

Als Dienstleister*in suchst du dir deine Seminarräume für Präsenzveranstaltungen vermutlich selten selbst aus. Falls doch, kannst du darauf achten, barrierearme Räumlichkeiten zu wählen. Ansonsten fragst du im Briefinggespräch einfach ab, wie die Gegebenheiten sind. Wichtig und hilfreich sind zum Beispiel:

  • Zugänglichkeit durch ebenerdigen Standort, Rampen oder Fahrstühle
  • ausreichend breite Türen und genug Platz in den Gängen für Rollstuhlnutzer*innen
  • barrierefreie Toiletten
  • verschiedene, bequeme Sitzgelegenheiten
  • gute Beleuchtung und Akustik
  • dimmbare Lichtquellen
  • Beschilderung und Wegbeschreibung vorab
  • Rückzugsecken oder -räume schaffen
  • Skills-/Stimming-Kiste mit Fidget-Spinnern, Stimmingtoys, Stressbällen, Anxiety-Ringen etc.
  • wenn möglich: technische Hilfemittel wie Induktionsschleife für Hörgerätnutzende oder Live-Transkription

Die Liste ist nicht vollständig und nicht alles wirst du immer realisieren können. Umso hilfreicher ist es, Punkt 1 zu berücksichtigen und individuelle Bedarfe abzufragen. So kannst du dein Möglichstes tun, um den tatsächlich Teilnehmenden Zugang zu deinem Training zu verschaffen. Treten dennoch Barrieren auf, benenne diese klar schon auf der Buchungsseite.

3. Seminarunterlagen barrierearm gestalten

Komplett barrierefreie PDFs zum Ausfüllen für Online-Workshops zu gestalten, ist eine Wissenschaft für sich. Doch es gibt auch viele einfachere Wege, Barrieren in Seminarunterlagen abzubauen:

  1. Biete deine Workbooks in verschiedenen Formaten an: als PDF, Worddatei oder ausgedruckt auf Papier.
  2. Schicke den Teilnehmenden bei Onlineseminaren vorab die digitalen Unterlagen zu – so können sie bei Bedarf ausgedruckt werden.
  3. Halte die Seminarunterlagen auch für Präsenzworkshops in digitaler Form bereit, damit sie sehbehinderten Menschen zugänglich sind.
  4. Achte auf ausreichend große Schrift und hohe Kontraste. Verwende eine einfache, leicht lesbare und schnörkellose Schriftart.
  5. Nutze Zwischenüberschriften, Bilder, Grafiken, Tabellen und Listen, um die Inhalte übersichtlicher und leichter verständlich zu machen.
  6. Versieh die Bilder mit Alternativtexten für die Sprachausgabesoftware bei digitalen Materialien. Auch Formularfelder, Textfelder und Checkboxen brauchen eine Auszeichnung, um richtig erkannt zu werden!
  7. Füge Seitenzahlen und ein Inhaltsverzeichnis Vertagge das Inhaltsverzeichnis mit den entsprechenden Seiten (Lesezeichenfunktion bei PDFs oder automatisches Inhaltsverzeichnis bei Word).
  8. Erkläre schwierige Begriffe, zum Beispiel in einem Glossar. Fasse die wichtigsten Lerninhalte in einfacher Sprache zusammen. Alternativ kannst du auch eine Leichte-Sprache-Übersetzung des Workbooks anbieten.

4. (Automatische) Untertitel bei Zoom, Videokonferenztools und Aufzeichnungen nutzen

Bei Online-Trainings kannst du dir die technischen Möglichkeiten zunutze machen. Viele Videokonferenztools bieten inzwischen die Funktion, automatische Live-Untertitel auszuspielen. Dazu zählen beispielsweise Zoom, WebEx, Google Meet und Teams. Die Funktion musst du zum Teil vorab in den Einstellungen aktivieren. Dann können sich Teilnehmende die Untertitel hinzuschalten, wenn sie möchten. Zugleich können die Untertitel auch als Transkript aufgezeichnet und gespeichert werden. Weise zu Beginn deines Seminars darauf hin, dass und wie sich die Untertitel aktivieren lassen.

Zeichnest du den Workshop auf, kannst du danach entweder die Untertitel aus dem Transkript hinzufügen oder das Video mit deiner Bearbeitungssoftware untertiteln. Premiere Pro bietet zum Beispiel auch die Möglichkeit automatischer Untertitel. Bearbeite die automatisch generierten Untertitel auf jeden Fall nochmal nach. Gerade bei nicht so geläufigen Begriffen oder undeutlicher Sprache stimmen die ausgegebenen Texte manchmal nicht. Im Schnitt kannst du auch eine Audiodeskription hinzufügen, falls du im Workshop selbst nicht alle Abläufe oder Bilder mündlich beschrieben hast.

5. Bei Bedarf: Gebärdensprachdolmetscher*in oder Live-Transkription

Wenn die Ressourcen dafür vorhanden sind, kannst du für gehörlose oder schwerhörige Teilnehmende eine*n Gebärdensprachdolmetscher*in organisieren. Alternativ gibt es auch Apps zur Spracherkennung, die ein Live-Transkript ausgeben. Vielleicht haben die betreffenden Personen die auch auf dem eigenen Smartphone. Ansonsten kümmerst du dich um die Live-Transkription und lässt sie beispielsweise über einen gut einsehbaren Bildschirm laufen.

6. Präsentation und Bilder beschreiben

Nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen, sondern auch Kurzsichtige und Teilnehmende in den letzten Reihen können vielleicht nicht alles erkennen, was in deiner Präsentation oder auf den Flipcharts zu sehen ist. Beschreibe deshalb Bilder und Grafiken so, wie du auch einen Alternativtext schreiben würdest. Lies Texte vor, die zum Beispiel für Übungen relevant sind oder deren Inhalt du nicht ohnehin in deinen Vortrag einbaust.

Manchmal empfiehlt es sich, sehr bildlastige Übungen wegzulassen und Alternativen zu nutzen. Kürzlich zum Beispiel hatte ich Karten mit Gefühlsmonstern dabei und die Teilnehmenden sollten sich jeweils eine Abbildung aussuchen. Und dann stand ich da und musste 20 Bilder beschreiben. Bezieh also Überlegungen zur Barrierefreiheit schon in der Konzeption deiner Trainings mit ein.

7. Bei Aktivierungen und Energizern verschiedene körperliche Fähigkeiten berücksichtigen

Energizer zwischendurch oder als Wiedereinstieg nach der Pause lockern den Workshop auf und fördern die Konzentration der Teilnehmenden. Viele dieser Aktivitäten setzen jedoch bestimmte körperliche Fähigkeiten voraus oder sind sogar recht sportlich. Such dir deshalb Übungen aus, die möglichst viele Menschen durchführen können. Überleg dir dazu am besten noch einfachere Alternativen, die weniger Bewegung erfordern. Ich habe immer ein paar Varianten im Kopf, sodass ich je nach Gruppenkonstellation die passende auswählen kann.

Du wirst nicht immer erkennen, was deine Teilnehmer*innen können oder mitmachen möchten. Mach also zu Beginn des Workshops deutlich, dass es vollkommen in Ordnung ist, wenn jemand sich an einer Übung nicht beteiligen kann oder möchte. Hier ein paar Beispiele für die Umsetzung:

  • Alternativen anbieten: „Wer kann, steht gerne einmal auf oder setzt sich aufrecht hin, …“
  • 12 Monate: „Ihr kennt ja alle die 12 Monate und wisst: Es gibt kurze und lange Monate. Wir sprechen die jetzt einmal durch. Und bei den langen Monaten macht ihr euch lang, also ihr könnt die Arme strecken oder euch groß machen. Bei den kurzen Monaten macht ihr euch klein, also ihr könnt in die Hocke gehen oder einfach Kopf senken, …“ (aus: 33 Aktivierungen, abb Seminare)
  • Check-in ohne Bewegung: Lass die Teilnehmenden Gefühlskarten oder ein Emoji auswählen oder einfach selbst kurz sagen, wie es ihnen gerade geht.
  • Zahlenreihe – ohne Bewegung, ohne Bilder: Die Teilnehmenden sollen gemeinsam zum Beispiel laut bis 20 zählen. Abwechselnd sagt immer eine Person eine Zahl. Sprechen zwei gleichzeitig, muss die Gruppe von vorn beginnen.

8. Verschiedene Sinne und Lerntypen ansprechen

Ob eine Behinderung zugrunde liegt oder nicht: Menschen lernen auf unterschiedliche Weise und bevorzugen verschiedene Sinnesebenen. Visuelle Typen brauchen zum Beispiel viele Bilder, vielleicht auch Videos, und übersichtlich aufbereitetes Material. Auditive Typen bevorzugen mündliche Erklärungen, viele Wiederholungen und ein geräuscharmes Lernumfeld. Kinästhetisch veranlagte Menschen mögen Praxisbeispiele, Ausprobieren, Gruppenarbeiten und spielerisches Lernen. Sprichst du in deinem Training verschiedene Sinne an, können alle Teilnehmenden etwas für sich mitnehmen.

9. Alternativen für Interaktionen und Übungen anbieten

Nicht alle Praxisphasen eines Trainings sind für jede*n Teilnehmende*n gleichermaßen zugänglich. Deshalb bietet es sich an, schon in der Konzeption verschiedene Methoden einzuplanen wie:

  • Lehrgespräch
  • Einzelarbeit
  • Paararbeit
  • Gruppenarbeit
  • kollaborative Tools

Manchen Menschen fällt es schwer, sich mündlich zu beteiligen. Alternativ kannst du anbieten, Fragen schriftlich zu beantworten oder zu stellen – online zum Beispiel über den Chat. Wer allein nicht gut arbeiten kann oder Unterstützung braucht, kann bei Einzelaufgaben doch mit einer zweiten Person ein Team bilden. Kollaborative Tools wie Mentimeter, AhaSlides oder Kahoot sind sehr praktisch für dein Training, aber oft nicht barrierefrei. Hier ist es wichtig, zumindest Alternativen anzubieten. Zum Beispiel können sich die Teilnehmenden zu Paaren zusammenfinden. Oder wer das Tool nicht nutzen kann, sagt die Antwort mündlich, schreibt sie auf oder postet sie in den Chat. Mit ein bisschen Kreativität finden sich leicht Lösungen, die alle einbeziehen.

10. Pausen und Zeitmanagement individuell anpassen

Regelmäßige Pausen sind wichtig, um die Konzentration während des Seminars aufrechtzuerhalten. Es ist individuell sehr unterschiedlich, wie viele und wie lange Pausen Menschen brauchen. Kommuniziere deinen groben Pausenplan schon zu Beginn des Workshops. Bei Tagestrainings plane ich meistens eine Mittagspause von ca. einer Stunde ein – angepasst an die gewohnten Pausenzeiten der Gruppe. Ansonsten gibt es alle ein bis anderthalb Stunden eine Kaffeepause, die ich meistens spontan an einer passenden Stelle einlege.

Hilfreich ist es auch, zwischendurch mal zu fragen: Wer von euch braucht gerade eine kurze Pause? Meldet sich eine Person (oder mehrere), dann wird Pause gemacht. Du kannst zu Beginn des Seminars auch sagen, dass die Teilnehmenden jederzeit auf die Toilette gehen oder sich für einen Moment rausziehen können. Oft ist es ja deutlich zu spüren, wenn die Gruppe eine Pause braucht. Wenn du das nicht so gut spüren kannst, weise darauf hin und bitte die Teilnehmenden, sich bemerkbar zu machen, wenn ein Block zu lange dauert.

11. Feedback einholen

Du wirst nie alle Aspekte barrierearmer Seminargestaltung auf dem Schirm haben. Deshalb ist es so wichtig und hilfreich, dir Feedback von deinen Teilnehmenden einzuholen. Manche trauen sich nicht so recht, Barrieren aufzuzeigen, weil sie häufig Ablehnung oder Ignoranz erfahren haben. Weise also ruhig deutlich darauf hin, dass dir Rückmeldungen zur Barrierefreiheit deiner Trainings willkommen sind! Signalisiere, dass du deine Arbeit dahingehend verbessern möchtest. Und ganz wichtig: Setze das Feedback auch deinen Möglichkeiten entsprechend um.

Als Einzelunternehmer*innen und freie Trainer*innen haben wir selten die Ressourcen, wirklich alle Aspekte unserer Workshops und Seminare barrierefrei zu gestalten. Wir können jedoch tun, wozu wir in der Lage sind – und so unsere Angebote allen etwas zugänglicher machen!

Schreib gerne in die Kommentare, welchen der 11 Tipps du schon umsetzt und welchen du als nächstes angehen möchtest!